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[quote align=“center“ color=“#999999″]Irans Musiker der Gegenwart haben oft keine Fernsehbühne und keine Konzerthallen. Nur den Keller.[/quote]

 

Der Keller – das ist jener Ort, wo im Iran Kultur entsteht, verborgen vor den Augen und Ohren des Zensors. Wo Bücher geschrieben, Satire gezeichnet, gesungen und mit neuen Klängen experimentiert wird. Wo westliche und östliche Instrumente zusammen ertönen. Wo Liebesgedichte und ungeschminkte Wahrheiten ihren Weg finden in Lieder, die junge Iraner auf der Straße, im Taxi, in der Universität nachsingen und nachsummen.
Manche Untergrund-Musik findet Gnade beim Zensor. Manche Melodie aber bekommt nie eine offizielle Erlaubnis, darf nie öffentlich erklingen, findet aber schließlich Ohren im Internet – und wird in der Diaspora berühmt. Was einst in einem Keller Isfahans erklang, wird nun live gesungen in einer Bar in San Francisco.
Der Boom der iranischen Kellermusik begann Ende der neunziger Jahre. Dies ist umso erstaunlicher, als zu Beginn der iranischen Revolution zunächst das Spielen jeglicher Musikinstrumente und Gesang – vor allem Frauen-Gesang – rigoros verboten wurden. In den achtziger Jahren hörten musikbegeisterte Iraner daher gerne „L.A.-Pop“ – also die Musik der vorrevolutionären Stars, die notgedrungen von Teheran nach Los Angeles ausgewandert waren.
Im Laufe der Jahrzehnte wurde das Musik-Verbot gelockert, traditionelle persische Klassik und Folklore durfte in Konzerten aufgeführt und gehört werden, allerdings mit Einschränkungen. Paradoxerweise entwickelte sich in dieser Zeit in fast allen Schichten eine neue Freizeitbeschäftigung unter Jugendlichen – von den Eltern anerkannt und gefördert: Das Erlernen eines Instruments und Gesangsunterricht. Beides nach der Revolution wohl selbstverständlicher als zuvor.
Langsam bildeten sich junge Pop-Bands heraus, die moralisch einwandfreie, zensierte Texte sangen. Die Hintergrundvokale durften weiblich sein. Doch Frauen-Solo-Gesang, kritischer HipHop oder Pop blieben offiziell verboten und auf private Aufführungen beschränkt. Sehr vereinzelt waren Konzerte erlaubt, manche wurden jedoch von Revolutionsmilizen gestürmt.
Zwei Richtungen entwickelten sich: Die Jugendsprache unterschied zwischen „mojaz“ (erlaubt) und „gheire- mojaz“ (vom Zensor nicht erlaubte Musik). Diese Begrifflichkeit findet sich mittlerweile in der gesamten, sprichwörtlich zwiegespaltenen Kunstproduktion Irans. Kritische Romane werden im Ausland verlegt und finden ihren Weg via Internet nach Iran. Kritische Filme werden im Ausland produziert und finden per Internet ihren Weg zurück. So auch die Musik: öffentliche Aufführungen im Ausland, Musikproduktion heimlich im Inland, die Alben vertrieben im Ausland und verkauft auf dem Schwarzmarkt im Iran.
So entwickelte sich im vergangenen Jahrzehnt eine alternative Musikszene in den Großstädten. Eine Szene, die sich im Untergrund etablierte: heimliche Konzerte auf dem Bauernhof im Hinterland, oder im Partyraum der Eltern. Musikstudios und Probenräume in tiefen Kellern oder in einer stillgelegten Fabrik. Überraschend kunstvolle Musikvideos. Jugendliche, die auf Persisch, manchmal auch auf Englisch singen. Sie vermischen Stile, orientalische und westlich-klassische Instrumente, Folklore und Jazz, Indie-Pop und Volksgesänge, HipHop und Schlager, Balkan-Sounds und Stammeshymnen. „Im Keller“ entsteht Weltmusik, die per Internet ihren Weg in die iranische Diaspora findet, oder schließlich doch mühevoll live in Teheran präsentiert werden kann. Gesellschaftskritische Musiker prangern in ihren Texten die Diktatur, die heuchlerische religiöse Moral oder iranische Eigenarten an. Wo schon die Proben einer Rockband riskant sind, ist zwischen den Zeilen versteckte Kritik umso gefährlicher. Für einige Musiker sind immer wiederkehrende kurze Haftstrafen „normal“ geworden. Viele aber können dem wachsenden Druck nicht aushalten und wandern aus – in den Westen, nach Kanada, in die USA. Nicht nur Musiker und MusikerInnen, auch Musik-Studenten verlassen Iran und besuchen westliche Musikhochschulen. Parallel dazu beginnt die Diaspora, ihre kulturellen Wurzeln zu entdecken. In Texas aufgewachsene Jugendliche reisen nach Teheran, um Gesang zu lernen, und sich von den großen alten Meistern inspirieren und „heranziehen“ zu lassen. Inzwischen ist die alternative iranische Musik fest etabliert. Im Internet darf sich weiblicher HipHop mit emanzipatorischen Botschaften, satirischer Balkan-Pop made in Iran, oder mystisch geprägte Klassik – die den Dogmatikern missfällt – verbreiten.
In den vergangenen Jahren ist London zu einem Magnet für die neue iranische Weltmusikszene geworden. Der persischsprachigen BBC nahestehende Kreise laden die jungen Musiker regelmäßig zu Konzerten ein. In Deutschland ist es bislang eher still geblieben. Seit Jahrzehnten kennen die Iraner in der deutschen Diaspora zwar Konzerte von sichtlich gealterten „L.A. – Musikern“, oder von großen klassischen Meistern wie Mohammad-Reza Shajarian oder Shahram Nazeri.
Konzerte neuer alternativer Musiker sind aber noch rar – in oft kleinen Hallen, meist unter Ausschluss der deutschen Öffentlichkeit. Dabei reagieren westliche Weltmusikfans und Experten oftmals überrascht auf die Vielfalt und Qualität der alternativen iranischen Musikszene.

 

Die Auswahl

Mit „New Sounds“, also neuen Klängen, meinen wir vor allem Musik, die im vergangenen Jahrzehnt in iranischen Kellern entstand, in Iran zur Aufführung kam, dort blieb oder aber in der Diaspora weiter hallte, oder in vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Heimat und Diaspora weiter entwickelt wurde. Musik, die sich durch Fusion und zugleich unverkennbar iranische Elemente auszeichnet. Entwickelt von Musikern, die im Iran leben, oder vor kurzem noch im Iran lebten, oder schon seit Jahren im Exil leben.

Das Rahmenprogramm

New Sounds of Iran bedeutet nicht nur Live-Musik, sondern auch ein Rahmenprogramm, das sich intensiv mit Musik und Musizieren im Iran auseinandersetzt. Mit einer begleitenden Foto- Ausstellung in der Kölner Philharmonie. Mit einem Sufi-Tanz-Workshop eines einzigartigen französisch-iranischen Künstlers. Mit Filmen zum Thema, teils heimlich gedreht in Iran, von Regisseuren aus Kanada und Iran.

Links zum Festival-Programm: Hauptprogramm & Rahmenprogramm

initiiert von
DIWAN Deutsch-Iranische Begegnungen e.V.
für die
Kölner Philharmonie
und die
Elbphilharmonie Hamburg
Mit freundlicher Unterstützung von
Akademie der Künste der Welt Köln

mit Werbeunterstützung durch

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